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Nr. 122 AHP 2008 - Blutkrankheiten

 

(1) Eine Blutarmut, die kein selbständiges Leiden, sondern Ausdruck einer anderen Schädigung ist (Blutungen, Infektionen, Wurmkrankheiten, Darmstörungen u.a.), schwindet nach deren Beseitigung. Die Beurteilung richtet sich nach dem Grundleiden.

(2) Bei den megaloblastären Anämien sind die essentielle Form (perniziöse Anämie) und die symptomatischen Formen zu unterscheiden. Für erstere sind endogene Faktoren durchweg maßgebend. Symptomatische Formen werden mehrere Jahre nach ausgedehnten Magenresektionen, bei der Sprue und in seltenen Fällen bei chronischen Magen- und Darmveränderungen mit schweren Resorptionsstörungen beobachtet. Die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs richtet sich nach dem Grundleiden.

(3) Eine hämolytische Anämie kann angeboren oder erworben sein. Erworbene hämolytische Anämien können Folge einer Infektionskrankheit (z.B. Erkrankung durch Viren oder Mykoplasmen, Malaria), bestimmter Medikamente (z.B. einiger Antibiotika), maligner Lymphome und auch mechanischer Einwirkungen (bei Herzklappenprothesen) sein, wenn sie in enger zeitlicher Verbindung auftreten.

(4) Unter den hämorrhagischen Diathesen sind die Thrombozytopenien und Thrombozytenfunktionsstörungen am häufigsten; sie können nach Infektionskrankheiten, als Arzneimittelschäden und auch im Rahmen anderer Blutkrankheiten vorkommen.

Die plasmatischen Gerinnungsstörungen können angeboren (z.B. Hämophilien) und auch erworben sein (insbesondere bei Leberschäden und durch Medikamente - z.B. Cumarine).

Daneben gibt es gefäßbedingte Blutungsleiden (z.B. vaskuläre Purpura), die ebenfalls angeboren oder erworben sein können. Bei den erworbenen Formen sind vorausgegangene Infektionskrankheiten oder Autoimmunprozesse zu berücksichtigen.

(5) Bei der Entwicklung von Knochenmarkschäden (insbesondere aplastische Anämie [Panmyelopathie], Agranulozytose, myelodysplastische Syndrome) können bestimmte Medikamente (z. B. Zytostatika, einige Antirheumatika, einzelne Antibiotika), toxische Substanzen (vor allem organische Lösungsmittel, z.B. Benzol), ionisierende Strahlen und auch Virusinfektionen (z.B. Hepatitis) eine ursächliche Bedeutung erlangen. Häufig besteht eine sehr enge zeitliche Verbindung; aber auch Intervalle von Jahren und Jahrzehnten sind beobachtet worden.

(6) Die Ätiologie der meisten myelodysplastischen Syndrome und der Neoplasien der Hämatopoese (Leukämien, Plasmozytom, Polycythaemia vera, Osteomyelosklerose, essentielle Thrombozythämie, maligne Lymphome) ist wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt.

Hinreichend geklärt ist bei akuten Leukämien, myelodysplastischen Syndromen und chronischen myeloischen Leukämien die ursächliche Bedeutung von ionisierenden Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv (dieser Wert entspricht etwa der Verdoppelungsdosis), von Strahlen radioaktiver Substanzen in vergleichbarer Stärke sowie von Zytostatika und Benzol. Dabei beträgt die Latenzzeit bis zur Erkrankung mindestens zwei Jahre nach Strahlenexposition sowie mindestens ein Jahr nach zytostatischer Behandlung oder Benzolkontamination. Unbestritten ist bei malignen Lymphomen auch die ursächliche Bedeutung von vorangegangenen Autoimmunerkrankungen.

Ungewissheit besteht im übrigen darüber, wie groß die Bedeutung genetischer Faktoren ist, ob Infektionen (durch Viren) bei der Entstehung dieser Leiden mitwirken, welchen Einfluss andere toxische Substanzen haben und ob zu den genannten speziellen Neoplasien der Hämatopoese auch Strahlen geringerer Intensität führen können.

Wegen dieser Ungewissheit sind die Voraussetzungen für eine Kannversorgung erfüllt, wenn sich nach folgenden Schädigungstatbeständen eine Neoplasie der Hämatopoese oder eine maligne Form des myelodysplastischen Syndroms innerhalb nachstehender Zeiträume manifestiert haben:

  1. frühestens 2 Jahre und spätestens 3 Jahrzehnte nach Einwirken ionisierender Strahlen, die nicht mit Wahrscheinlichkeit als Ursache angesehen werden können (s. oben), deren Menge aber auch nicht so gering war, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden kann;
  2. frühestens ein Jahr und spätestens 6 Jahre nach Einwirken von Substanzen oder innerhalb von 6 Jahren nach chronischen Krankheiten, bei denen eine Schädigung des blutbildenden Knochenmarks oder des lymphatischen Systems in Frage kommt;
  3. innerhalb von 2 Jahren nach Infektionskrankheiten, die insbesondere auf das lymphatische System eingewirkt haben (z.B. Epstein-Barr-Virus-Infektion).

(7) Dauernde Milzvergrößerungen, auch erheblicheren Umfangs oder mit Blutbildveränderungen (Hypersplenismus), finden sich u.a. bei der Leberzirrhose, bei Blutkrankheiten, nach Pfortaderthrombose und bei allgemeiner Amyloidose mit Beteiligung der Milz. Sie sind in die Beurteilung der Grundkrankheit einzuschließen.

Eine Milzvergrößerung kann auch ein Symptom zahlreicher Infektionskrankheiten sein, das gelegentlich auch nach deren Abklingen bestehen bleibt, dann aber keine pathologische Bedeutung hat.

(8) Im Anschluss an örtliche Entzündungen sowie im Verlauf zahlreicher Infektionskrankheiten können Lymphknotenschwellungen auftreten. Dabei kann es zur Vereiterung und Einschmelzung und nach dem Durchbruch oder der Eröffnung manchmal zu ausgedehnten Narben mit Funktionsbehinderung kommen. Bei tief greifender Zerstörung oder operativer Ausräumung können Lymphstauungen und in ihrem Gefolge elephantiastische Verdickungen entstehen.