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Nr. 129 AHP 2008 - Gliedmaßenverluste

 

(1) Beim Verlust einer oberen Extremität, besonders im Oberarm oder im Schultergelenk, erfolgt in der Regel eine seitliche Verbiegung der Wirbelsäule, zusammen mit einer Anhebung des Schultergürtels der Amputationsseite. Diese Erscheinungen stellen im allgemeinen keine zusätzliche Behinderung, sondern einen Ausgleich der durch die Amputation veränderten Statik dar.

Nach Verlust einer unteren Extremität kann - statisch bedingt und fast immer mit einem Beckenschiefstand verbunden - ebenfalls eine kompensatorische seitliche Verbiegung der Wirbelsäule auftreten, die dann meist großbogig verläuft. Von entscheidender Bedeutung können hierbei vor allem die langdauernde Benutzung einer nicht längengerechten Prothese, die Unmöglichkeit des Tragens einer Prothese, erhebliche Bewegungseinschränkungen der verbliebenen Gelenke oder erschwerter Prothesengang infolge ungünstiger Stumpfverhältnisse sein.

Liegt bei einem einseitig Beinamputierten eine seitliche Verbiegung der Wirbelsäule ohne solche Begleit- oder Folgeerscheinungen des Gliedmaßenverlustes vor, kann die Amputation im allgemeinen nicht als wesentliche Bedingung der seitlichen Verbiegung angesehen werden.

Nach Amputation einer Gliedmaße im Wachstumsalter muss besonders mit Verbiegungen der Wirbelsäule und mit entsprechenden Wachstumsstörungen der Wirbel gerechnet werden.

Nach dem Verlust eines Beines im Oberschenkel kann sich kompensatorisch eine verstärkte Lendenlordose ausbilden, besonders bei einer Stumpfbeugekontraktur.

Bei der Beurteilung von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei Amputierten ist zu berücksichtigen, dass solche Veränderungen als Verschleißerscheinungen auch bei Nichtamputierten häufig festzustellen sind.

Einem Gliedmaßenverlust kann nur dann eine wesentliche Bedeutung für degenerative Wirbelsäulenveränderungen beigemessen werden, wenn infolge des Gliedmaßenverlustes eine nicht ausgleichbare Biegung der Wirbelsäule vorliegt und soweit sich die degenerativen Veränderungen allein oder bevorzugt in diesem Bereich (konkavseitig) befinden.

Im übrigen ist zu beachten, dass sog. Wirbelsäulensyndrome auch durch das Zusammenwirken von schädigungsunabhängigen degenerativen Veränderungen und amputationsbedingten Ausgleichsbiegungen zustande kommen können; es hängt dann vom Ausmaß der degenerativen Veränderungen und der Art und dem Ausmaß der amputationsbedingten Biegungen ab, ob letztere als wesentliche Bedingung angesehen werden können.

Eine Verschlimmerung von Wirbelsäulenschäden durch einen Gliedmaßenverlust kommt in Betracht, wenn sich die Änderung der Statik nach der Amputation funktionell besonders ungünstig auswirkt, wie es beispielsweise nach einer Beinamputation bei einem asymmetrischen lumbosakralen Übergangswirbel oder bei einer Spondylolisthesis der Fall sein kann.

(2) Es ist bisher nicht erwiesen, dass es durch einen Gliedmaßenverlust an der verbliebenen paarigen Gliedmaße zu Schäden (z.B. Arthrosen, Senkfüße, Krampfadern) durch "Überlastungen" kommt.

Die Annahme von Schäden an unversehrten Gliedmaßen infolge einer Amputation kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Amputation zu einer langdauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung geführt hat, wie es beispielsweise bei Beinamputierten bei der Unmöglichkeit, eine Prothese zu tragen, oder bei einer prothetisch nicht ausgleichbaren Hüftkontraktur der Fall sein kann.

(3) Gliedmaßenamputationen führen im allgemeinen in ihrer Nachbarschaft zu einer verstärkten Strahlendurchlässigkeit des Skeletts ohne Krankheitswert.

(4) Bei Gliedmaßenschäden- (z. B. nicht ausgeglichene Beinverkürzungen, Gelenkversteifungen in ungünstiger Stellung) können die gleichen Folgen am Bewegungsapparat auftreten, wie nach einer Amputation mit vergleichbarer Funktionsstörung.

 

Anmerkung