(1) Bei den traumatischen Rückenmarkschädigungen sind - wie bei den Hirnverletzungen - offene und gedeckte Schädigungen zu unterscheiden. Die - selteneren - offenen Verletzungen (meist Schuss- oder Stichverletzungen) bereiten gutachtlich infolge der eindeutigen Lokalisation der Verletzung keine Schwierigkeiten.
(2) Gedeckte Rückenmarkschädigungen können direkt (durch Stoß oder Schlag) oder indirekt (insbesondere durch extreme Beugungen oder Überstreckungen der Wirbelsäule) zustande kommen, häufiger bei engem Spinalkanal. Sie sind nicht immer mit Frakturen oder Luxationen der Wirbelsäule verbunden.
(3) Bei einer Commotio spinalis handelt es sich um eine voll reversible traumatische Schädigung des Rückenmarks. Die im Anschluss an das Trauma auftretenden Funktionsstörungen (bis zum kompletten Querschnittssyndrom) bilden sich innerhalb von Stunden bis zu einem Tag vollständig zurück.
(4) Eine Contusio spinalis liegt vor, wenn eine Quetschung, Prellung oder Zerrung des Rückenmarks zu einer Zerstörung von Rückenmarkgewebe mit entsprechenden bleibenden Folgen geführt hat (komplette oder inkomplette Querschnittssyndrome, auch intramedulläre Schädigungsmuster wie bei Syringomyelie infolge der besonderen Verletzbarkeit der grauen Rückenmarksubstanz). Die Symptomatik in den ersten Tagen nach der Verletzung ist im allgemeinen wesentlich ausgeprägter als die Dauerfolgen.
(5) Als Hämatomyelie wird eine Blutung in das Rückenmark - mit anschließender Nekrose - bezeichnet, die ein partielles Querschnittssyndrom oder - häufiger - eine Syringomyelie-Symptomatik zur Folge hat. Solche Blutungen sind meist traumatisch bedingt, können aber auch aufgrund einer Gefäßmissbildung (z.B. Angiom) entstehen. Nach einem Trauma entwickelt sich die Symptomatik mit einer Latenz von Minuten oder Stunden bis zu mehreren Tagen und bildet sich nach anfänglicher Progredienz oft partiell wieder zurück.
(6) Eine seltenere Traumafolge stellt die Spätmyelopathie dar, bei der infolge einer zystischen Degeneration nach längerem symptomfreien Intervall (Latenzen von Jahren sind beschrieben) ein fortschreitendes Querschnittssyndrom, teilweise mit Syringomyelie-Symptomatik in Erscheinung tritt. Die traumatische Rückenmarkschädigung muss zumindest durch die Symptome einer Commotio spinalis nachgewiesen sein, wobei zu beachten ist, dass die Höhe des fortschreitenden Querschnittssyndroms um mehrere Segmente (bis zu sechs) von der Höhe der unmittelbar nach dem Trauma aufgetretenen Symptomatik bzw. einer nachgewiesenen Wirbelkörperfraktur abweichen kann.