3.4 Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit im Kindes- und Jugendalter |
||
Die GdS-Beurteilung der Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung darf nicht allein vom Ausmaß der Intelligenzminderung und von diesbezüglichen Testergebnissen ausgehen, die immer nur Teile der Behinderung zu einem bestimmten Zeitpunkt erfassen können. Daneben muss stets auch die Persönlichkeitsentwicklung auf affektivem und emotionalem Gebiet, wie auch im Bereich des Antriebs und der Prägung durch die Umwelt mit allen Auswirkungen auf die sozialen Einordnungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. |
||
3.4.1 Entwicklungsstörungen im Kleinkindesalter |
||
Die Beurteilung setzt eine standardisierte Befunderhebung mit Durchführung geeigneter Testverfahren voraus (Nachuntersuchung mit Beginn der Schulpflicht). | ||
Umschriebene Entwicklungsstörungen in den Bereichen Motorik, Sprache oder Wahrnehmung und Aufmerksamkeit |
||
leicht, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gesamtentwicklung | 0 - 10 | |
sonst - bis zum Ausgleich - je nach Beeinträchtigung der Gesamtentwicklung | 20 - 40 | |
bei besonders schwerer Ausprägung | 50 | |
Anmerkung |
||
Globale Entwicklungsstörungen (Einschränkungen in den Bereichen Sprache und Kommunikation, Wahrnehmung und Spielverhalten, Motorik, Selbständigkeit, soziale Integration) |
||
je nach Ausmaß der sozialen Einordnungsstörung und der Verhaltensstörung (z.B. Hyperaktivität, Aggressivität) |
||
geringe Auswirkungen | 30 - 40 | |
starke Auswirkungen (z.B. Entwicklungsquotient [EQ] von 70 bis über 50) |
50 -70 | |
schwere Auswirkungen (z.B. EQ 50 und weniger) |
80 - 100 | |
Anmerkung |
||
|
||
Kognitive Teilleistungsschwächen (z.B. Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie], isolierte Rechenstörung) | ||
leicht, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistungen | 0 - 10 | |
sonst - auch unter Berücksichtigung von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen - bis zum Ausgleich | 20 - 40 | |
bei besonders schwerer Ausprägung (selten) | 50 | |
Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit mit einem Intelligenzrückstand entsprechend einem Intelligenz-Alter (I.A.) von etwa 10 bis 12 Jahren bei Erwachsenen (Intelligenzquotient [IQ] von etwa 70 bis 60) |
||
wenn während des Schulbesuchs nur geringe Störungen, insbesondere der Auffassung, der Merkfähigkeit, der psychischen Belastbarkeit, der sozialen Einordnung, des Sprechens, der Sprache, oder anderer kognitiver Teilleistungen vorliegen | 30 - 40 | |
wenn sich nach Abschluss der Schule noch eine weitere Bildungsfähigkeit gezeigt hat und keine wesentlichen, die soziale Einordnung erschwerenden Persönlichkeitsstörungen bestehen | 30 - 40 | |
wenn ein Ausbildungsberuf unter Nutzung der Sonderregelungen für behinderte Menschen erreicht werden kann | 30 - 40 | |
wenn während des Schulbesuchs die oben genannten Störungen stark ausgeprägt sind oder mit einem Schulversagen zu rechnen ist | 50 - 70 | |
wenn nach Abschluss der Schule auf eine Beeinträchtigung der Fähigkeit zu selbständiger Lebensführung oder sozialer Einordnung geschlossen werden kann | 50 - 70 | |
wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung trotz beruflicher Fördermöglichkeiten (z.B. in besonderen Rehabilitationseinrichtungen) nicht in der Lage ist, sich auch unter Nutzung der Sonderregelungen für behinderte Menschen beruflich zu qualifizieren | 50 - 70 | |
Intelligenzmangel mit stark eingeengter Bildungsfähigkeit, erheblichen Mängeln im Spracherwerb, Intelligenzrückstand entsprechend einem I.A. unter 10 Jahren bei Erwachsenen (IQ unter 60) |
||
bei relativ günstiger Persönlichkeitsentwicklung und sozialer Anpassungsmöglichkeit (Teilerfolg in einer Sonderschule, selbständige Lebensführung in einigen Teilbereichen und Einordnung im allgemeinen Erwerbsleben mit einfachen motorischen Fertigkeiten noch möglich) | 80 - 90 | |
bei stärkerer Einschränkung der Eingliederungsmöglichkeiten mit hochgradigem Mangel an Selbständigkeit und Bildungsfähigkeit, fehlender Sprachentwicklung, unabhängig von der Arbeitsmarktlage und auf Dauer Beschäftigungsmöglichkeit nur in einer Werkstatt für Behinderte | 100 | |
Anmerkung |
||
3.5 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Die Kriterien der Definitionen der ICD 10-GM Version 2011 müssen erfüllt sein. Komorbide psychische Störungen sind gesondert zu berücksichtigen. Eine Behinderung liegt erst ab Beginn der Teilhabebeeinträchtigung vor. Eine pauschale Festsetzung des GdS nach einem bestimmten Lebensalter ist nicht möglich. 3.5.1 Tief greifende Entwicklungsstörungen (insbesondere frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Asperger-Syndrom) |
||
Bei tief greifenden Entwicklungsstörungen | ||
- ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS | 10 - 20 | |
- mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS | 30 - 40 | |
- mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS | 50 - 70 | |
- mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS | 80 - 100 | |
Soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integrationsfähigkeit in Lebensbereiche (wie zum Beispiel Regel-Kindergarten, Regel-Schule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) nicht ohne besondere Förderung oder Unterstützung (zum Beispiel durch Eingliederungshilfe) gegeben ist oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entsprechende Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen. Mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung (zum Beispiel einen Integrationshelfer als Eingliederungshilfe) möglich ist. Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht möglich ist. |
||
Anmerkung |
||
3.5.2 Hyperkinetische Störungen und Aufmerksamkeitsstörungen ohne Hyperaktivität |
||
Ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten liegt keine
Teilhabebeeinträchtigung vor. Bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten |
||
- ohne Auswirkung auf die Integrationsfähigkeit beträgt der GdS | 10 - 20 | |
- mit Auswirkungen auf die Integrationsfähigkeit in mehreren Lebensbereichen (wie zum Beispiel Regel-Kindergarten, Regel-Schule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entsprechende Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen, beträgt der GdS | 30 - 40 | |
- mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung oder umfassende Beaufsichtigung ermöglichen, beträgt der GdS | 50 - 70 | |
- mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht ermöglichen, beträgt der GdS | 80 - 100 | |
Ab dem Alter von 25 Jahren beträgt der GdS regelhaft nicht mehr als 50. |
||
3.5.3 Störungen des Sozialverhaltens und Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend sind je nach Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung, insbesondere der Einschränkung der sozialen Integrationsfähigkeit und dem Betreuungsaufwand, individuell zu bewerten. Anmerkung |
||
3.6 Schizophrene und affektive Psychosen |
||
Langdauernde (über ein halbes Jahr anhaltende) Psychose im floriden Stadium je nach Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeiten | 50 - 100 | |
Schizophrener Residualzustand (z.B. Konzentrationsstörung, Kontaktschwäche, Vitalitätseinbuße, affektive Nivellierung) |
||
mit geringen und einzelnen Restsymptomen ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten | 10 - 20 | |
mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten | 30 - 40 | |
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten | 50 - 70 | |
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten | 80 - 100 | |
Anmerkung |
||
Affektive Psychose mit relativ kurz andauernden, aber häufig wiederkehrenden Phasen |
||
bei 1 bis 2 Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer je nach Art und Ausprägung | 30 - 50 | |
bei häufigeren Phasen von mehrwöchiger Dauer | 60 - 100 | |
Nach dem Abklingen lang dauernder psychotischer Episoden ist eine Heilungsbewährung von zwei Jahren abzuwarten. | ||
GdS während dieser Zeit, wenn bereits mehrere manische oder manische und depressive Phasen vorangegangen sind | 50 | |
sonst | 30 | |
Eine Heilungsbewährung braucht nicht abgewartet zu werden, wenn eine monopolar verlaufene depressive Phase vorgelegen hat, die als erste Krankheitsphase oder erst mehr als zehn Jahre nach einer früheren Krankheitsphase aufgetreten ist. | ||
3.7 Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen |
||
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen | 0 - 20 | |
Stärker behindernde Störungen | ||
mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) | 30 - 40 | |
Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) | ||
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten | 50 - 70 | |
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten | 80 - 100 | |
Anmerkung |
||
Abhängigkeit von psychotropen Substanzen liegt vor, wenn als Folge des chronischen Substanzkonsums mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sind: - starker Wunsch (Drang), die Substanz zu
konsumieren, Es gelten folgende GdS-Werte: |
||
Bei schädlichem Gebrauch von psychotropen Substanzen mit leichteren psychischen Störungen beträgt der GdS | 0 - 20 | |
Bei Abhängigkeit: | ||
- mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS | 30 - 40 | |
- mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS | 50 - 70 | |
- mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS | 80 - 100 | |
Ist im Fall einer Abhängigkeit, die zuvor mit einem GdS von mindestens 50 zu bewerten war, Abstinenz erreicht, muss eine Heilungsbewährung von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt des Beginns der Abstinenz abgewartet werden. Während dieser Zeit ist ein GdS von 30 anzunehmen, es sei denn, die bleibenden psychischen oder hirnorganischen Störungen rechtfertigen einen höheren GdS. Weitere Organschäden sind unter Beachtung von Teil A Nummer 2 Buchstabe e der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu bewerten. Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle sind nach Teil B Nummer 3.7 zu bewerten. Anmerkung |
||
3.9 Rückenmarkschäden |
||
Unvollständige, leichte Halsmarkschädigung mit beidseits geringen motorischen und sensiblen Ausfällen, ohne Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion | 30 - 60 | |
Unvollständige Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung mit Teillähmung beider Beine, ohne Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion | 30 - 60 | |
Unvollständige Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung mit Teillähmung beider Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion | 60 - 80 | |
Unvollständige Halsmarkschädigung mit gewichtigen Teillähmungen beider Arme und Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion | 100 | |
Vollständige Halsmarkschädigung mit vollständiger Lähmung beider Arme und Beine und Störungen der Blasen- und/ oder Mastdarmfunktion | 100 | |
Vollständige Brustmark-, Lendenmark-, oder Kaudaschädigung mit vollständiger Lähmung der Beine und Störungen der Blasen und/oder Mastdarmfunktion | 100 | |
Anmerkung |
||
3.10 Multiple Sklerose Der GdS richtet sich vor allem nach den zerebralen und spinalen Ausfallserscheinungen. Zusätzlich ist die aus dem klinischen Verlauf sich ergebende Krankheitsaktivität zu berücksichtigen. |
||
Anmerkung |
||
3.11 Polyneuropathien Bei den Polyneuropathien ergeben sich die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Der GdS motorischer Ausfälle ist in Analogie zu den peripheren Nervenschäden einzuschätzen. Bei den sensiblen Störungen und Schmerzen ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen - z.B. bei Feinbewegungen - führen können. |
||
Anmerkung |