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Nr. 71 AHP 2008 - Folgen psychischer Traumen

 

 

(1) Durch psychische Traumen bedingte Störungen kommen sowohl nach langdauernden psychischen Belastungen (z. B. in Kriegsgefangenschaft, in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) als auch nach relativ kurzdauernden Belastungen (z.B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfangs der Belastungen ist also nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben.

Die Störungen sind nach ihrer Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer verschieden: Sie können kurzfristigen reaktiven Störungen mit krankheitswertigen (häufig depressiven) Beschwerden entsprechen; bei einer Dauer von mehreren Monaten bis zu ein bis zwei Jahren sind sie in der Regel durch typische Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung charakterisiert, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein; sie treten gelegentlich auch nach einer Latenzzeit auf. Anhaltend kann sich eine Chronifizierung der vorgenannten Störungen oder eine Persönlichkeitsänderung (früher: erlebnisbedingter Persönlichkeitswandel) mit Misstrauen, Rückzug, Motivationsverlust, Gefühl der Leere und Entfremdung ergeben. Anhaltende Störungen setzen tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende und in der Regel langdauernde Belastungen voraus.

(2) Bei länger anhaltenden Störungen und chronisch verlaufenden (auch "neurotisch" genannten) Entwicklungen ist zu prüfen, ob die Schädigungsfaktoren fortwirken oder schädigungsunabhängige Faktoren für die Chronifizierung verantwortlich sind ("Verschiebung der Wesensgrundlage" - s. Nummer 24 <nunmehr Teil A 7 VMG>). Gleiches gilt für psychogene Symptomverstärkungen oder Symptomfixierungen, die im Gefolge schädigungsbedingter organischer Gesundheitsstörungen auftreten.

(3) Auch die Auswirkungen psychischer Traumen im Kindesalter (z. B. sexueller Missbrauch, häufige Misshandlungen) sind nach Art und Intensität sehr unterschiedlich. Sie können ebenso zu Neurosen (siehe Nummer 70) wie zu vorübergehenden oder chronifizierten Reaktionen (siehe Absatz 1) führen. 

4) Wunsch- und Zweckreaktionen als selbständige, auf der Persönlichkeit beruhende, tendenziöse seelische Äußerungen sind nicht Schädigungsfolge.

 

Anmerkung