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Nr. 61 AHP 2008 - Hirnerkrankungen

 

(1) Ebenso wie durch Gewalteinwirkungen und Vergiftungen können durch Erkrankungen reversible Störungen oder irreversible Schäden des Gehirns entstehen.

(2) Von besonderer Bedeutung sind die Dauer- und Spätfolgen von infektiösen Hirnerkrankungen (toxisch-infektiös oder infektiös-vasal). Die bleibenden zerebralen Störungen und Ausfälle sind vom Sitz und Ausmaß der primären Hirnherde abhängig. So wurden nach der Encephalitis lethargica (von Economo) zahlreiche sehr wechselnde neurologische, meist extrapyramidale Symptome neben häufigen seelischen Veränderungen beobachtet, die oftmals erst nach langem symptomarmen Intervall in Erscheinung traten und deshalb eine sorgfältige differentialdiagnostische Abgrenzung (z.B. gegen Paralysis agitans) erfordern. Bei den seltenen Dauerfolgen nach Fleckfieberenzephalitis kommen ähnliche neurologische und psychische Störungen vor, allerdings nicht in derselben charakteristischen Ausprägung. Das gleiche gilt für die Begleitenzephalitiden.

(3) Für die zerebralen Gefäßerkrankungen gelten die Ausführungen in den Nummern 92 und 93, in gleicher Weise. Hirngefäßaneurysmen entwickeln sich in der Regel schädigungsunabhängig. Außergewöhnlich schwere körperliche Belastungen können Mitursache einer Blutung sein.

(4) Bei Hirnatrophien (mit entsprechenden Hirnfunktionsstörungen) ist zwischen den symptomatischen und idiopathischen Formen zu unterscheiden. Die Beurteilung der symptomatischen Formen (z.B. nach Dystrophie oder Flecklieber), die im allgemeinen keine Progredienz zeigen, richtet sich nach dem Grundleiden. Es ist zu beachten, dass Atrophien als Residuen perinataler Schädigungen, infolge zerebraler Gefäßprozesse oder auch im Gefolge toxischer Schädigungen (z.B. chronischer Alkoholismus) relativ häufig sind. Die idiopathischen Hirnatrophien sind keine Schädigungsfolge.

(5) Chronische toxische Enzephalopathien kommen u. a. bei schweren chronischen Leberkrankheiten nach operativen Maßnahmen (portokavale Anastomose) und ebenso als Folge einer spontanen Entwicklung von Umgehungsbahnen vor (portokavale Enzephalopathie). Neben dem Nachweis von entsprechenden psychischen oder neurologischen Störungen kann die Diagnose durch das Elektroenzephalogramm und durch Bestimmung des Ammoniakspiegels gestützt werden.

Exogen-toxische Enzephalopathien können bei Kontakt mit einzelnen Chemikalien (z.B. Industriestoffe, Schwermetalle) vorkommen. Das Elektroenzephalogramm ist hierbei meist nicht aussagekräftig.

(6) Infolge von schweren Herzerkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf-Stillstand) kann es zu hypoxischen Hirnschäden kommen. Die Beurteilung richtet sich nach dem Grundleiden.