a) Infektionskrankheiten, durch Viren verursacht
1. Erkrankungen des Gehirns und/oder seiner Häute
Übertragungsmodus: Neben den bei verschiedenen
Infektionskrankheiten fakultativ vorkommenden Erkrankungen des
Gehirns und ggf. seiner Häute, die im Zusammenhang mit diesen
Infektionskrankheiten zu beurteilen sind, sind vor allem
Erkrankungen von Bedeutung, die durch Arboviren (in Europa
insbesondere Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus [FSME]) oder
Enteroviren hervorgerufen werden. Sie werden durch Arthropoden (Arboviren)
oder durch Schmierinfektion (Enteroviren) übertragen. Der Erreger
der gegen Ende des ersten Weltkrieges aufgetretenen Encephalitis
lethargica (v. Economo), die schon zwei Jahrzehnte später kaum mehr
beobachtet wurde, konnte nicht ermittelt werden.
Inkubationszeit: Unterschiedlich, je nach Erregerart,
bei der FSME 6-14 Tage.
Folgen: Zerebrale Störungen und Ausfälle;
Parkinsonismus fast nur nach Encephalitis lethargica (siehe dazu
auch Nummer 61).
Übertragungsmodus: Vorwiegend Tröpfcheninfektion.
Inkubationszeit: 1-4 Tage.
Folgen: Chronische Bronchitis, Bronchiektasen,
Pleuraschwarte. Hörstörungen, Restzustände nach Enzephalitis, Herz-
oder Nierenschäden.
a) Typ 1
Übertragungsmodus: Vorwiegend Tröpfcheninfektion
oder Schmierinfektion.
Inkubationszeit: Etwa 4-8 Tage.
Folgen: Trübung der Hornhaut nach Keratokonjunktivitis;
Restzustände nach Meningoenzephalitis; chronisch rezidivierende
Entzündungen der Haut und Schleimhäute.
b) Typ 2
Übertragungsmodus: Vorwiegend durch Sexualkontakte
Inkubationszeit: Etwa 4-8 Tage
Folgen: Chronisch rezidivierende Entzündungen der Haut
und Schleimhäute. Selten auch Enzephalitisfolgen.
4. Kinderlähmung (Poliomyelitis)
Übertragungsmodus: Hauptsächlich Schmierinfektion.
Ausscheidung des Virus mit Rachensekret und Stuhl; orale Aufnahme.
Inkubationszeit: 9-14 (6-21) Tage.
Folgen: Restlähmungen; Restzustände nach
enzephalitischer Verlaufsform, Herzmuskelschäden. Nach paralytischen
Erkrankungen auch nach Latenzzeiten bis zu Jahrzehnten Entwicklung
eines Post-Poliomyelitis-Syndroms (siehe Nummer 63).
Übertragungsmodus: Ansteckungsquelle ist der
Mensch. Tröpfcheninfektion.
Inkubationzeit: 10-11 (8-18) Tage.
Folgen: Chronische Mittelohrentzündung;
Rippenfellschwarten oder Bronchiektasen nach Empyem oder
Lungenentzündung; Restzustände nach Beteiligung des ZNS;
Augenschäden; Begünstigung einer Ansteckung mit Tuberkulose (heute
selten) oder Aktivierung eines ruhenden Prozesses. Nach Latenzzeiten
von mehreren Jahren Entwicklung einer subakuten sklerosierenden
Panenzephalopathie.
6. Mononukleose, infektiöse; Epstein-Barr-Virus-Infektion (Pfeiffer-Drüsenfieber)
Übertragungsmodus: Tröpfcheninfektion.
Inkubationszeit: Unsicher (1-7 Wochen ?)
Folgen: Ganz selten Folgen von im akuten Stadium
aufgetretenen Krankheiten, wie Milzruptur, Perikarditis, Thrombose,
Meningoenzephalitis, Neuritis, Guillain-Barre-Syndrom.
7. Mumps (Parotitis epidemica)
Übertragungsmodus: Tröpfcheninfektion.
Inkubationszeit: 14-21 (11-35) Tage.
Folgen: Hodenatrophie, Sterilität nach Orchitis;
Restzustände nach Beteiligung des ZNS; Hörstörungen; sehr selten
Herzmuskelschaden.
Der ursächliche Zusammenhang zwischen Mumps (auch Schutzimpfung, siehe Nummer 57.14) und Diabetes mellitus Typ I ist ungeklärt (siehe Nummer 120).
8. Pappatacifieber ("Dreitagefieber")
Übertragungsmodus: Überträger ist ausschließlich
die Stechmücke Phlebotomus pappatasi, die in Südeuropa, Afrika,
Asien vorkommt.
Inkubationszeit: 3-6 Tage.
Folgen: keine.
Übertragungsmodus: Tröpfchen- oder
Schmierinfektion.
Inkubationszeit: 10-15 (5-21) Tage.
Folgen: Pockennarben auf der Kornea;
Herzmuskelschäden, Innenohrschäden, Enzephalomyelitisfolgen, Folgen
von Sekundärinfektionen.
Übertragungsmodus: Meist durch Tröpfcheninfektion;
diaplazentare Infektion.
Inkubationszeit: 14-21 (11-23) Tage.
Folgen: Selten Restzustände nach Beteiligung des ZNS
oder der Nieren; chronische Arthritis; Fruchtschädigung.
Übertragungsmodus: Kontakt mit Speichel infizierter
Tiere, vorwiegend durch Bissverletzungen.
Inkubationszeit: Sehr unterschiedlich, überwiegend 1-3
Monate, aber auch Beobachtungen von 5 Tagen und über 1 Jahr.
Die zum Ausbruch gekommene Erkrankung verläuft tödlich.
Sie kommt in wenigstens fünf - zwar serologisch aber klinisch nicht zu unterscheidenden, prognostisch unterschiedlichen - Formen vor. Die Hepatitis kann ikterisch oder anikterisch verlaufen.
a) Hepatitis A (früher Hepatitis epidemica)
Übertragungsmodus: Meist Schmierinfektion, auch
über Lebensmittel und Wasser, sehr selten durch Blut oder
Blutprodukte.
Inkubationszeit: 15-50 (im Mittel 30) Tage
Folgen: Sehr selten fulminante Verläufe mit
Leberversagen, sehr selten aplastische Anämien, vorwiegend bei
Kindern. Keine chronischen Verläufe.
b) Hepatitis B
Übertragungsmodus: Vorwiegend durch Blut oder
Blutprodukte und Sexualkontakte, indirekt durch kontaminierte
Instrumente. Übertragung vor und während der Geburt. Auch durch
Schmierinfektion.
Inkubationszeit: 30-160 (im Mittel 70) Tage
Folgen: Chronische Hepatitis, Leberzirrhose,
Leberzellkarzinom, selten fulminante Verläufe mit Leberversagen,
sehr selten aplastische Anämien (vorwiegend bei Kindern), HBVTräger.
c) Hepatitis C
Übertragungsmodus: Wie bei Hepatitis B.
Inkubationszeit: 15-180 (im Mittel 50) Tage.
Folgen: Wie bei Hepatitis B, aber weit häufiger
chronische Verläufe.
d) Hepatitis D
Übertragungsmodus: Wie bei Hepatitis B.
Sie tritt selten und nur gemeinsam mit der Hepatitis-B-Infektion
auf.
Inkubationszeit: Wie bei Hepatitis B.
Folgen: Wie bei Hepatitis B, aber häufiger schwere
Verläufe und Zirrhose.
e) Hepatitis E
Übertragungsmodus: Meist Schmierinfektion, auch
über Lebensmittel und Wasser.
Inkubationszeit: 10-60 (im Mittel 40) Tage.
Folgen: Wie bei Hepatitis A, bei Schwangeren häufiger
fulminante Verläufe.
Übertragungsmodus: Aerogen, auch von an Zoster
erkrankten Personen, da der Erreger der gleiche ist.
Inkubationszeit: 13-21 (11-28) Tage.
Folgen: Sehr selten Restzustände nach
Meningoenzephalitis oder nach Nephritiden.
Aktivierung einer latenten Infektion mit Varizellen-Zoster-Virus.
Folgen: Neuralgien; Restzustände nach
Meningoenzephalitis; Hörstörungen; Hornhautnarben nach Zoster
ophthalmicus; Sekundärglaukom; Augenmuskellähmungen.
15. HIV-Infektion (human immunodeficiency virus)
Übertragungsmodus: Blut und Blutprodukte,
Sexualkontakte, Muttermilch, kontaminierte Injektionsbestecke, vor
oder während der Geburt.
Inkubationszeit: Bis zum Auftreten der akuten
mononukleoseartigen Primärsymptome 3-6 Wochen. In den meisten Fällen
ist das akute Stadium jedoch nicht nachweisbar. Es folgt ein
subklinisches Stadium, das viele Jahre dauern kann, und das in das
klinische Stadium (Lymphadenopathiesyndrom [LAS], AIDS-related-complex
[ARC], AIDS) übergeht.
Das klinische Vollbild von AIDS ist u.a. durch zahlreiche zusätzliche Erkrankungen (opportunistische Infektionen, maligne Erkrankungen, Beteiligung des ZNS) außerordentlich vielgestaltig.
Übertragungsmodus: Ausscheidungen von Nagetieren.
Inkubationszeit: 1-5 Wochen?.
Folgen: Nierenschäden. (Nach Infektionen mit
verschiedenen Virustypen weltweit mehrere Varianten mit
unterschiedlichen Krankheitsbildern).
17. Zytomegalie-Virus-Infektion
Übertragungsmodus: Blut und Blutprodukte,
Sexualkontakte, Urin, Tröpfcheninfektion, perinatal.
Inkubationszeit: 14-42 Tage.
Folgen: Fruchtschädigung, persistierende Infektionen.
Übertragungsmodus: Mücken
Inkubationszeit: 2-7 Tage nach Mückenstich
Folgen: Restzustände nach Enzephalitis und nach
hämorrhagischem Schocksyndrom, Nierenschäden.
Übertragungsmodus: Mücken
Inkubationszeit: 3-6 Tage nach Mückenstich.
Keine Spätfolgen, hohe Letalität.