Ausgabe    6/2007 

vom 07.11.2007 

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     Informationen

Schwerbehindertenrecht

Soziales Entschädigungsrecht

Verfahrensrecht

Rentenversicherung

Krankenversicherung

Sachverständigenentschädigung

Anwaltshonorar

Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II / Sozialhilfe

     Service

Herausgeber und verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes Karen Schillings,
Spessartstr. 15, 41239 Mönchengladbach

Die Zeitschrift erscheint alle 2 Monate


Liebe Leser,

im SGB II hat der Gesetzgeber die Bedarfsgemeinschaft als Empfänger von Leistungen vorgesehen. Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt, dass das SGB II keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher, die keine juristische Person darstellt, kennt, sondern dass - außer bei ausdrücklichem gesetzlichen Ausschluss - Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind, selbst wenn dies in den Bescheiden der Beklagten nicht zum Ausdruck kommt. (BSG , Az.: B 7b AS 8/06 R , Urteil vom 07.11.2006) Das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft kann also deshalb nicht mit einer eigenen Klage die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verfolgen (BSG a.a.O.). Diese Rechtsprechung führt dazu, dass die Gerichte in der Regel alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft als Kläger in das Rubrum eines Verfahrens aufnehmen. Einige Anwälte sind darüber hinaus dazu übergegangen, für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eine eigene Klage zu erheben. Diese Vorgehensweise scheint nach der Rechtsprechung des BSG zulässig , vielleicht sogar angezeigt zu sein. Möglicherweise locken darüber hinaus auch höhere Gebühren. 

*****

Wir haben bereits mehrfach berichtet, dass die Versorgungsämter in NRW zum 31.12.2007 aufgelöst werden. Die Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX werden dann von den Kreisen und kreisfreien Städten durchgeführt. In "Fachkreisen" wird heftig spekuliert, die Kommunen könnten bei der Feststellung der Höhe des GdB weniger strenge Anforderungen stellen als die Versorgungsverwaltung, weil es den Kommunen möglicherweise nur darum gehe, dass Gesetz mit möglichst geringem Personalaufwand durchzuführen. Ob das stimmt, wird man sehen. Sicher scheint aber, dass die Übergangsphase Anfang 2008 dazu führen wird, dass die Zahl der Klageverfahren - mindestens vorübergehend - deutlich abnehmen wird, weil die Kommunen sicherlich keine nahtlose Weiterbearbeitung der Akten der Versorgungsämter gewährleisten können.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihr Team von www.anhaltspunkte.de und www.uwendler.de .


Wohnsitzwechsel und GdB-Feststellung

Bundessozialgericht - B 9/9a SB 2/07 R- Urteil vom 05.07.2007

1. Verlegt ein Kläger im Verlauf eines Verfahrens nach dem SGB IX seinen Wohnsitz in ein anderes Bundesland, so wird dieses zuständig. In dem Rechstreit tritt bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ein Beklagtenwechsels kraft Gesetzes ein. 

2. Ein Wohnsitz im Ausland steht der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nicht entgegen, wenn der im Ausland wohnende Kläger die Feststellung des GdB benötigt, um konkrete inländische Rechtsvorteile in Anspruch nehmen zu können (z.B. Schwerbehindertenpauschbetrag im Einkommensteuerrecht, vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung).

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"H" bei Fortbewegungsfähigkeit

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 13 SB 87/03 - Urteil vom 28.06.2007

Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit sind u.a. stets erfüllt bei "Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig auch innerhalb des Wohnraums - die Benutzung eines Rollstuhls erfordern" (AHP Nr. 21 Abs. 6). Dies setzt nicht zwingend voraus, dass tatsächlich ein Rollstuhl in der Wohnung genutzt wird; auch kommt es nicht darauf an, dass das Gehvermögen des Betroffenen nicht wie bei einem Querschnittsgelähmten vollständig aufgehoben ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Betroffene nicht mehr stehen und gehen kann und damit nicht mehr in der Lage ist, sich mit Gehhilfen oder Ähnlichen innerhalb der Wohnung von einem Ort zum anderen Ort zu bewegen.

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Kein Protokollant bei Untersuchung durch Sachverständigen

SG Aachen - S 17 SB 2/04 - Urteil vom 03.08.2005

Wird zur Feststellung der Höhe des GdB eine Untersuchung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen angeordnet, besteht kein Anspruch des Probanden darauf, dass an der Untersuchung eine mitgebrachte Protokollantin teilnimmt. Dies gilt umso mehr bei psychiatrischen Krankheitsbildern, weil die neurologisch-psychiatrische Untersuchung und Anamnese sinnvoll nur ohne die Gegenwart von Begleitern durchgeführt werden kann und ansonsten eine Verfälschung des Untersuchungsergebnisses zu besorgen ist.

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Soldatenversorgungsgesetz

Versorgungsschutz des Soldaten im Ausland

Bundessozialgericht - B 9/9a VS 3/06 R - Urteil vom 05.07.2007

Der Versorgungsanspruch eines im Ausland eingesetzten Soldaten richtet sich nach den für die gesetzliche Unfallversicherung entwickelten Grundsätzen, d.h. Versicherungsschutz setzt voraus, dass die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, in engem inneren Zusammenhang mit dem militärischen Dienst steht. Dies ist auch bei privaten Verrichtungen möglich, wenn der Soldat dabei besonderen Gefahren  z.B. der auswärtigen Unterkunft erliegt.

Antragsverlängerung bei Unkenntnis

SG Dortmund - S 39 (43) VS 491/05 Urteil vom 13.08.2007

Soldaten erhalten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung Beschädigtenversorgung frühestens ab Antragsmonat. War der Beschädigte allerdings ohne sein Verschulden an einer Antragstellung gehindert, so verlängert sich die Frist um den Zeitraum der Verhinderung. An einer Antragstellung ohne Verschulden ist der Beschädigte u.a. gehindert, wenn er erst aufgrund von Medienberichten Kenntnis davon erlangt hat, dass seine Krebserkrankung möglicherweise mit Strahleneinwirkungen während seines Dienstes in der Bundeswehr in Zusammenhang steht. 

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Opferentschädigungsrecht

Opferschutz während der Strafhaft

Bundessozialgericht - B 9a VG 2/05 R - Urteil vom 29.03.2007

Wird ein Straftäter, der wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, während der Strafhaft Opfer einer Gewalttat, ist sein Versorgungsanspruch nach dem OEG nicht wegen Unbilligkeit ausgeschlossen. Das BSG gibt insoweit seine bisherige Rechtsprechung auf; denn das Erleiden einer Schädigung allein infolge einer typischen Gefahr der Inhaftierung ("gefängniseigentümliche Gefahren") kann die Annahme von Unbilligkeit nicht begründen. Der Aufenthalt in einem von erhöhter Gewaltbereitschaft geprägten Gefängnismilieu ist zwar Folge der eigenen Straftat des Gewaltopfers. Dieser Umstand ist aber nicht so gewichtig wie eine - annähernd - gleichwertige Mitverursachung der eigenen Schädigung.

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Impfschadensrecht

Keine Kannversorgung bei fehlendem Nachweis eines Impschadens

Hessisches LSG - L 4 VJ 3/04 - Urteil vom 27.06.2007

Für eine sog. Kannversorgung genügt nicht die Ungewissheit darüber, welche Umstände konkret und im Einzelnen für die Krankheit kausal waren. Fehlt es schon am Nachweis eines unmittelbaren Impfschadens oder ist die Wahrscheinlichkeit der Kausalität schon aus anderen Gründen zu verneinen, so liegen die Voraussetzungen der Kannversorgung nicht bloß deshalb vor, weil daneben auch die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft ungewiss ist.

FSME-Schutzimpfung und Parkinson

SG Düsseldorf - S 31 VJ 293/02 -Urteil vom 25.05.2007

1. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Frühsommer-Meningoenzephalitis-Schutzimpfung und Parkinson-Erkrankung ist nicht wahrscheinlich.

2. In einem Rechtsstreit zu der Frage einer Impfschädigung als Gutachter ernannte Mitglieder der beim Robert-Koch-Institut eingerichteten Ständigen Impfkommission (STIKO) können nicht allein wegen dieser Mitgliedschaft als befangen abgelehnt werden; Bedenken könnten allerdings dann durchgreifen, wenn diese in Verbindung zu dem Hersteller des konkret in Rede stehenden Impfstoffs stehen.

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PKH in Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 7 B 19/07 SB - Beschluss vom 22.10.2007

Einem Unbemittelten ist in einem Rechtsstreit auf Prozesskostenhilfeantrag ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Erforderlichkeit kann nicht im Hinblick darauf verneint werden, dass es sich um ein Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht handelt. In einem solchen Verfahren sind nämlich sowohl eine medizinische als auch eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts erforderlich. Auch ein Bemittelter würde deshalb vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen. Der Amtsermittlungsgrundsatz steht nicht entgegen; denn die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwalts geht über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus. 

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Antrag auf Terminsverlegung muss stattgegeben werden

Bundessozialgericht - B 2 U 55/07 B - Beschluss vom 26.06.2007

Die unverschuldete Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten an der Wahrnehmung eines Termins ist regelmäßig ein Grund für eine Verlegung. Eine Abwesenheit aufgrund einer offenbar zuvor geplanten Fernreise stellt einen solchen Grund dar. 

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Klage per E-Mail ?

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen -  L 9 SO 24/06 - Urteil vom 13.09.2007

1. Eine eingescannte Unterschrift unter einer Berufungsschrift reicht aus, weil die Übersendung des eigenhändig gezeichneten Originals der Berufung nicht unbedingt erforderlich ist.

2. Eine Berufungseinlegung per E-Mail genügt der nach § 151 Abs. 1 SGG geforderten Schriftform in Nordrhein-Westfalen nicht, weil hier eine entsprechende Verordnung nach § 65 a Abs. 1 Satz 1 SGG nicht existiert.

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Beginn der Arbeitsunfähigkeit

Bundessozialgericht - B 1 KR 37/06 R - Urteil vom 26.06.2007

Die in § 5 Abs. 3 Satz 2 der AU-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen geregelte Befugnis von Vertragsärzten, im Ausnahmefall AU auch rückwirkend zu attestieren, ist für den Krankengeldanspruch ohne Belang. § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V stellt gerade nicht auf den Zeitpunkt des "wirklichen" oder vom Arzt attestierten Beginns der AU, sondern auf den Tag ab, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgt. Das ist der Tag, der sich an jenen anschließt, an dem ein Arzt selbst tatsächlich AU festgestellt hat. Es ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut und -zweck für den Krankengeldanspruch unerheblich, wenn der Arzt an diesem Tage einen früheren Beginn der AU bescheinigt. Abgesehen davon, dass die AU-RL nur Vertragsärzte binden, § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V aber keine vertragsärztliche AU-Feststellung verlangt , und dass die AU-RL im Range unter dem Gesetz stehen, fehlt dem Bundesausschuss auch die Kompetenz, die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs zu modifizieren. Denn § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 SGB V ermächtigt den Bundesausschuss nur dazu, die "zur Sicherung der ärztlichen Versorgung ... über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten" erforderlichen Richtlinien, insbesondere über die "Beurteilung der Arbeitsfähigkeit", zu beschließen, nicht aber, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankengeld zu ändern.

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Schwerbehinderung und Rentenbeginn

Bundessozialgericht - B 13 R 44/06 R - Urteil vom 26.07.2007

Beim "Beginn der Altersrente" i.S. des § 236a SGB VI kommt es auf den Leistungsbeginn der Rente an, nicht auf die erfolgte Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Es ist nicht das einmalige Entstehen der Anerkennung als Schwerbehinderter maßgeblich, sondern das Weiterbestehen dieser Eigenschaft im Zeitpunkt des Beginns der Rente. Dies hat der Gesetzgeber durch die Bezugnahme darauf, dass die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch auch (noch) bei Beginn der Rente vorliegen muss, sichergestellt.

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Umsatzsteuererstattung bei Befundbericht

Hessisches Landessozialgericht - L 4 SB 15/07 - Urteil vom 29.08.2007

Bei der Ausstellung eines Befundscheins ohne nähere gutachtliche Äußerung (Befundbericht) handelt es sich um eine Leistung, für die der sachverständige Zeuge ein "Honorar" erhält. Wird der Arzt - was er nachzuweisen hat - zur Umsatzsteuer veranlagt, ist diese ihm auch von der den Befundschein anfordernden Stelle zu ersetzen. 

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Umsatzsteuer vergessen?

Thüringer Landessozialgericht -  L 6 B 77/07 SF - Beschluss vom 18.06.2007

Zur nachträglichen Geltendmachung von Umsatzsteuer durch den Gutachter.

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Anwaltshonorar

Zusätzliche Gebühr im Beschwerdeverfahren

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 B 132/07 AS Beschluss vom 05.08.2007

Das Beschwerdeverfahren ist eine gesonderte Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Für das Betreiben des Beschwerdeverfahrens fällt nach § 3 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG eine Betragsrahmengebühr an (15 - 160 EUR). Zwar trifft es zu, dass sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen vom Prozessgegner die Erstattung von nach dem RVG angefallenen außergerichtlichen Kosten gefordert werden kann, nicht nach dem RVG selbst, sondern nach § 193 SGG bestimmt. Hieraus zu schließen, eine Kostengrundentscheidung für das Kostenbeschwerdeverfahren sei nicht notwendig, zumal der Anfall einer Gebühr nach Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG bei der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG berücksichtigt werden könne, greift jedoch zu kurz.

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Gebühren nach Nrn. 1002 und 1005 VV RVG

Thüringer Landessozialgericht -  L 6 B 80/07 SF - Beschluss vom 19.06.2007

1. Die Einwirkung auf den Kläger, einen Vergleichsvorschlag anzunehmen und den Rechtsstreit insgesamt für erledigt zu erklären, erfüllt die Voraussetzung der besonderen anwaltlichen Mitwirkung i.S.d. Nrn. 1002, 1005 VV RVG.

2. Grundsätzlich ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr als auch für die der Erledigungsgebühr.

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Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II / Sozialhilfe

Verletztenrente ist Einkommen

Bundessozialgericht - B 11b AS 15/06 R - Urteil vom 05.09.2007

Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine Einnahme in Geld, die von § 11 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB II als Einkommen erfasst wird. Sie erfüllt auch nicht den von seinem Wortlaut her eindeutigen Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II, denn sie ist weder eine Grundrente nach dem BVG, noch sieht das SGB VII eine entsprechende Anwendung des BVG vor, noch ist sie eine Leistung nach dem BEG. Die Regelung des § 11 Abs. 1 SGB II entspricht nahezu wortgleich § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, dem bisherigen § 76 BSHG.  Zu der Vorgängerregelung hat bereits der 2. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 3. Dezember 2002 ausgeführt, dass der Gesetzgeber des Sozialhilferechts bewusst und gezielt nur bestimmte Leistungen, nämlich die Grundrenten nach dem BVG sowie Renten und Beihilfen, die nach dem BEG wegen Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit gewährt werden, in Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG von der Einkommensberechnung ausgenommen hat. Dieser Entscheidung hat sich zwischenzeitlich der 7b. Senat des BSG in einem Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 2/06 R - angeschlossen und - ohne diese Frage abschließend zu entscheiden - die Auffassung vertreten, dass sich der Gesetzgeber des SGB II bewusst gegen eine Übernahme der im Alhi-Recht (§ 2 Nr. 2 AlhiV 2002) geltenden Privilegierung der Verletztenrente entschieden und die im früheren Sozialhilferecht des BSHG getroffene Regelung für beide Rechtsgebiete übernommen habe. Angesichts der Gesetzesgeschichte und des klaren Wortlauts von § 11 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II ist auch für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Verletztenrente kein Raum. 

BSG zum Kindergeld

Bundessozialgericht - B 9b SO 6/05 R - Urteil vom 08.02.2007

Das Kindergeld ist grundsätzlich demjenigen als Einkommen zuzurechnen, an den es ausgezahlt wird, hier dem kindergeldberechtigten Elternteil des Kindes. Wendet der kindergeldberechtigte Elternteil das Kindergeld dem Kind nicht zu, ist es Letzterem auch nicht kraft Gesetzes zuzurechnen. Das Kind ist auch nicht verpflichtet, das Kindergeld nach § 74 EStG an sich abzweigen zu lassen; daher ist es bei ihm nicht wegen eines unterlassenen Abzweigungsantrags fiktiv als Einkommen zu berücksichtigen. Ebenso wenig stellen die dem Kind von den Eltern gewährten Naturalleistungen Einkommen i.S. von § 41 Abs. 2 SGB XII dar, das in Höhe von monatlich 154 Euro beim Kind angerechnet werden könnte.

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Zuschuss nach § 26 muss nicht extra beantragt werden

Bayerisches Landessozialgericht - L 7 AS 179/06 - Urteil vom 23.02.2007

Ein Zuschuss zu Beiträgen einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung entsprechend § 26 SGB II ist auch ohne diesbezüglichen Antrag zu gewähren. Der allgemeine Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes reicht aus. Eine andere Auslegung des Antragserfordernisses würde den Interessen der Antragsteller nicht gerecht. Gerade in Fällen, in denen ein Erwerbseinkommen erzielt wird, das um den Betrag des Gesamtbedarfes schwankt, können Antragsteller selbst nicht erkennen, ob Alg II mit gesetzlicher Krankenversicherung zusteht oder eben ein Zuschuss entsprechend § 26 SGB II. Stellt sich heraus, dass das anzurechnende Einkommen den Gesamtbedarf knapp übersteigt, ist die Beklagte von sich aus verpflichtet, den Antragsteller auf die Möglichkeit des Zuschusses hinzuweisen und anzufragen, in welcher Weise der Krankenversicherungsschutz sicher gestellt ist. In diesem Fall ist im Zuge der Prüfung der Aufhebung einer bereits erfolgten Bewilligung der Anspruch auf einen Zuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mit einzubeziehen; die in der vollständigen Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II liegende Ablehnung eines solchen Zuschusses ist rechtswidrig.

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Verspätet gezahlter Lohn ist Einkommen

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 AS 5695/06 - Urteil vom 09.08.2007

Eine Nachzahlung von Arbeitsentgelt in einem Monat, für den Bedürftigkeit geltend gemacht wird stellt nicht Vermögen (§ 12 SGB II), sondern Einkommen (§ 11 SGB II) dar. Die Begriffe des Einkommens und Vermögens bedürfen, da im Gesetz nicht eindeutig unterschieden, der Auslegung. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Einkommen - in Abgrenzung zum Vermögen - alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die, wenn gegebenenfalls auch nur für den nachfolgenden Verbrauch, den Vermögensstand dessen vermehren, der solche Einnahmen hat, Vermögen demgegenüber ein Bestand von Sachen und Rechten in Geld oder Geldeswert. Da auch Einnahmen grundsätzlich aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden, bedarf es zur Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen einer wertenden Betrachtung; sie hängt nach der vom BVerwG zum BSHG entwickelten Rechtsprechung, der der Senat auch für den Bereich des SGB II folgt, bei Geldforderungen davon ab, ob die Forderung aus bewusst angesparten vormaligen Einnahmen stammt - dann ist der Geldzufluss als Vermögen zu behandeln - oder ob der Grund der Forderung zunächst nicht realisierte Einnahmen waren, dann stellt die Erfüllung der Forderung Einkommen dar.

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Steuererstattung Einkommen?

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 AS 99/06 - Urteil vom 20.08.2007

Eine Steuererstattung ist Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht Vermögen i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB II.

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Keine Anrechnung von Krankenhaustagegeld

Sozialgericht Dortmund - Urteil vom 23.08.2007 - Az.: S 22 (31,48) AS 532/05

Das Krankenhaustagegeld kann nicht in vollem Umfang als Einkommen in Ansatz gebracht werden. Bei dem Krankenhaustagegeld handelt es sich um eine zweckbestimmte Leistung. Eine zweckbestimmte Leistung liegt vor, wenn ihr eine bestimmte, entweder vom Gesetzgeber oder vom Leistungserbringer erkennbar gebilligte Zweckrichtung zueigen ist, die im Fall der Anrechnung vereitelt würde. Allerdings ist der Begriff nicht so eng auszulegen, dass darunter lediglich solche Leistungen fielen, die der Empfänger nur zu dem im Gesetz oder in einer Vereinbarung vorgesehenen Zweck verwenden darf und bei denen der Leistende ein Kontrollrecht oder einen Einfluss auf die Verwendung hat. Vielmehr fallen darunter auch solche Zuflüsse, die aus einem bestimmten Anlass und in einer bestimmten Erwartung gegeben werden und die der Empfänger im allgemeinen für den bestimmten Zweck verwenden wird, dazu jedoch nicht angehalten werden könnte. In diesem Sinn sind Versicherungsleistungen stets zweckbestimmt: Ihr Zweck besteht darin, bei Eintritt des Versicherungsfalles den Verlust auszugleichen, der durch die Verwirklichung des versicherten Risikos eingetreten ist.

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Nächste Ausgabe

Die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift erscheint im Januar 2008!

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