Ausgabe    5/2014 

September vom 07.09.2014 

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     Rechtsprechung

Schwerbehindertenrecht

Soziales Entschädigungsrecht

Verfahrensrecht

Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer

Unfallversicherung

Krankenversicherung

Rentenversicherung

Anwaltshonorar

Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II

Sozialhilfe SGB XII

Elterngeld

Arbeitslosengeld I

     Buchrezension

     Service

Herausgeber und verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes Dorothea Strake
Schulstr. 90, 41372 Niederkrüchten

 erscheint alle 2 Monate


Liebe Leser,

anbei die Septemberausgabe unserer Zeitung. 

Damit Sie immer auf dem Laufenden bleiben, empfehlen wir neben der Lektüre der kostenlosen Zeitschrift unseren Buchkommentar zu den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" und unsere CD "Sozialrecht". Beides können Sie hier sofort bestellen. 

Ihr Team von U.Wendler und dem Sozialmedizinischen Verlag.


Rechtsprechung

Schwerbehindertenrecht

Strenger Maßstab beim Merkzeichen "aG"

Sozialgericht Karlsruhe - S 1 SB 2343/13 - Urteil vom 20.05.2014

Ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen lässt sich beim Merkzeichen "aG" griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten.

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Zu "G" und "B" bei Kindern

Bayerisches Landessozialgericht - L 3 SB 195/13 - Urteil vom 28.07.2014

Zur Annahme einer erheblichen Einschränkung der Bewegungsfähigkeit genügt es nicht, dass der Behinderte jederzeit mit der Möglichkeit einer gravierenden Einschränkung der Bewegungsfähigkeit durch das Auftreten eines entsprechenden akuten Zustandes rechnen muss. Vielmehr ist die tatsächliche Feststellung einer dauerhaften Einschränkung und nicht nur die theoretische oder gegebenenfalls sogar wenig wahrscheinliche Möglichkeit ihres jederzeitigen Eintretens in Form eines Notfalles erforderlich. Deshalb muss bei einem Anfallsleiden aufgrund der hohen Anfallsfrequenz die abstrakte Gefahr zu einer konkreten geworden sein, deren Eintritt aufgrund objektiver Kriterien, z.B. wegen der Anfallshäufigkeit oder wegen früheren Auftretens zahlreicher Anfälle überwiegend im Freien, jederzeit gut möglich erscheinen. Bei einem behinderten Kleinkind ist bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" vorliegen, als Vergleichsmaßstab nicht auf den Gesundheitszustand eines gleichaltrigen gesunden Kleinkindes abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob die bei dem Kleinkind festgestellten Gesundheitsstörungen bei einem Erwachsenen die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" rechtfertigen würden, also die Gesundheitsstörungen die entsprechenden Funktionen eines erwachsenen Behinderten im erforderlichen Ausmaß beeinträchtigen würden. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "B" bei einem behinderten Kleinkind vorliegen, sind dieselben Kriterien wie bei einem Erwachsenen anzunehmen.

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Kein GdB von 30 allein für  die Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung"

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 51/10 - Urteil vom 11.06.2014

Allein die Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung" (PTBS) rechtfertigt keinen GdB von 30. Das gilt auch im Hinblick auf den Beschluss des Sachverständigenbeirats beim BMA vom 6./7. November 2008 zu "Posttraumatische Belastungsstörung - Klinik und Begutachtung" ("Sind alle Kriterien der PTBS erfüllt, ist ein GdS von wenigstens 30 gerechtfertigt."). Der Beschluss weist nämlich darauf hin, dass an die Diagnose besonders strenge Anforderungen zu stellen sind.

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Kein "aG" wegen stark eingeschränkter Sehfähigkeit

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 4 SB 19/14 - Urteil vom 14.05.2014

Die eingeschränkte Sehfähigkeit durch Verlust eines Auges und einer Sehstärke des verbliebenen Auges unter 30 v.H. stellt keine gesundheitliche Beeinträchtigung dar, die zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (aG) berechtigt. "aG" kann nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Es reicht also nicht aus, dass behinderte Menschen z.B. aufgrund eines gestörten Orientierungsvermögens ein gewünschtes Ziel nicht alleine erreichen können.

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Für die Feststellung des GdB sind nie die getroffenen Diagnosen, sondern nur das tatsächliche Ausmaß der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen entscheidend.

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SB 166/12 - Urteil vom 20.05.2014

Die Frage, ob bei einer psychischen Erkrankung die Bezeichnung "posttraumatische Belastungsstörung" oder eine andere Diagnose die richtige ist, ist für die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB), der sich aus den funktionellen Einschränkungen, nicht aber einer bestimmten Diagnose ergibt, ohne Bedeutung. Entscheidend für die Feststellung des GdB im schwerbehindertenrechtlichen Verfahren sind, anders als in unfallversicherungsrechtlichen Verfahren, nie die getroffenen Diagnosen, sondern nur das tatsächliche Ausmaß der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. In einem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren ist daher die Frage der exakten Diagnose einem Beweisantrag nicht zugänglich.

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Kein "aG" bei Nutzung einer Prothese im zeitlichen Umfang von 10%

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SB 226/13 - Urteil vom 20.05.2014

Eine der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) ist, dass ein einseitig oberschenkelamputierter Mensch dauernd außerstande ist, ein Kunstbein zu tragen. Ein solcher Dauerzustand besteht nicht, wenn der Betroffene seine Prothese noch in etwa über 10 % der Zeit benutzen kann. Ein Dauerzustand ist erst festzustellen, wenn die Phasen der Prothesenbenutzbarkeit so selten oder zeitlich so kurz ausgeprägt sind, dass diese so weit in den Hintergrund treten, dass bei objektiver Betrachtung von einem nennenswerten Zeitanteil einer Prothesenbenutzbarkeit nicht mehr ausgegangen werden kann. Eine Sturzgefahr kann die gesundheitlichen Voraussetzungen für "aG" allenfalls dann begründen, wenn diese Gefahr insbesondere aufgrund der Sturzhäufigkeit so ausgeprägt ist, dass aus der objektiven und medizinisch begründeten Sicht eines vernünftigen Behinderten der Betroffene dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist.

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Bestimmung des GdB fünf Jahre nach nach Entfernung eines malignen Darmtumors

Landessozialgericht Hamburg - L 3 SB 23/12 - Urteil vom 24.06.2014

Fünf Jahre nach nach Entfernung eines malignen Darmtumors ist, sofern kein Rezidiv aufgetreten ist, der Grad der Behinderung (GdB) nur noch nach den tatsächlich verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten. Danach muss der GdB herabgesetzt werden, wenn diese Beeinträchtigen den früheren GdB nicht mehr rechtfertigen. Die Operation mit Pouchbildung und Erhalt des Schließmuskels führt in der Regel zu günstigeren Ergebnissen, die somit als besser beurteilen sind als ein künstlicher After mit guter Versorgungsmöglichkeit.

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Keine Zeugenvernehmung wegen Umfangs der Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 10 SB 127/12 - Urteil vom 02.07.2014

Der GdB für eine psychische Erkrankung hängt u.a. von dem Ausmaß der Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ab. Zu der Frage der Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sind keine Zeugen zu hören; die Exploration und Anamneseerhebung, erforderlichenfalls auch Fremdanamnese, obliegt allein dem gerichtlich bestellten Sachverständigen, der die entsprechenden Angaben in seinem Gutachten zu würdigen hat.

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GdB für Colitis ulcerosa ist nach den Auswirkungen in der Gesamtschau zu bestimmen

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 13 SB 371/13 - Urteil vom 13.06.2014

Ob die für eine GdB-Bewertung der Colitis ulcerosa in Teil B Nr. 10.2.2 VMG genannten Beispiele (z.B. häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufiger Durchfälle) alternativ oder kumulativ zu verstehen sind, ist umstritten. In der in dem Rechtstreit eingeholten Stellungnahme des BMAS wird allerdings die Prüfung empfohlen, ob trotz häufiger Durchfälle keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes vorliegt. Dies zeigt, dass auch insoweit eine Gesamtbetrachtung erforderlich ist, wie sie ohnehin von § 69 SGB IX vorgesehen ist. 

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Soziales Entschädigungsrecht 

Zur Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG in Verfahren nach dem OEG

Hessisches Landessozialgericht - L 1 VE 30/10 - Urteil vom 26.06.2014

In Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) gilt die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Diese Beweiserleichterung ist auch anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind. Das gilt auch, wenn zwar Zeugen vorhanden sind, diese aber von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen oder wenn der Zeuge als Täter in Betracht kommt, aber die schädigende Handlung bestreitet. Wenn die Angaben des Opfers das einzige das fragliche Geschehen belegende Beweismittel sind und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie durch eine psychische Erkrankung des Opfers und deren Behandlung beeinflusst sein können, ist ein Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen.

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Bereits im Strafverfahren vernommene Zeugen müssen in Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) nur unter besonderen Voraussetzung nochmals vernommen werden.

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VG 4545/13 - Urteil vom 29.04.2014

In Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) kann der gerichtlichen Pflicht, den Sachverhalt zu ermitteln, bereits durch Beiziehung der Strafermittlungsakten genügt sein. Eine darüber hinausgehende Ermittlungspflicht besteht nur dann, wenn neue, erfolgversprechende Ansatzpunkte aufgetaucht sind oder der Sachverhalt unter anderen rechtlichen Kriterien als im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu würdigen wäre. Die unterschiedlichen Verfahrensregeln in Straf- und Sozialgerichtsverfahren sind jedenfalls kein Grund, die Beweisaufnahme ganz oder teilweise zu wiederholen; denn die Beweislast eines Klägers im Sozialgerichtsverfahren entspricht der Beweislast des Staates im Strafverfahren.

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Kein Anspruch auf Versorgung mit Durolane Fertigspritzen (Hyaluronsäureprodukt)

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 VS 17/13 - Urteil vom 07.05.2014

Der Heilbehandlungsanspruch des Soldaten folgt den Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherung. Danach kommt eine Versorgung mit Durolane Fertigspritzen nicht in Betracht, da es sich dabei weder um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel noch um ein im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähiges Arzneimittel handelt. Ob die Regelungen des Härteausgleichs i.S.d. § 89 BVG bei der Versorgung mit Arzneimitteln überhaupt eingreifen, kann dahinstehen; denn jedenfalls sind die Voraussetzungen für einen Härtefall nicht erfüllt.

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Grippeschutzimpfung unterfällt nur bei bestimmten Indikationen dem Infektionsschutzgesetz

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 11 VJ 27/08 - Urteil vom 12.06.2014

Eine Grippeschutzimpfung ist nach der beim Robert Koch-Institut eingerichteten Ständigen Impfkommission (STIKO) nur bei bestimmten Indikationen empfohlen (Epidemiologisches Bulletin vom 12.07.2002). Mithin ist - sofern z.B. die zuständige Landsbehörde keine andere Empfehlung gibt - i.S.d. Infektionsschutzgesetzes geschützt nur derjenige, der diesen Indikationen unterfällt. Eine Haftung der Gesundheitsbehörden wegen fehlerhafter Aufklärung eines Patienten über eine Impfempfehlung durch einen Arzt käme nur dann in Betracht, wenn - anders als vorliegend - neben der amtlichen Veröffentlichung der Impfempfehlung die Ärzte auch unmittelbar informiert hätten werden müssen.

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Verfahrensrecht

Zum Rechtschutzinteresse bei einem Eilverfahren

Sozialgericht Karlsruhe - S 1 SO 1110/14 ER - Beschluss vom 04.04.2014

Die Gerichte haben die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit dies notwendig ist. Soweit eine Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichts zur Verfügung zu stellen. Deshalb besteht der allgemeine Rechtsgrundsatz, das niemand die Gerichte unnütz oder gar unlauter in Anspruch nehmen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schützenswerter Ziele ausnutzen darf. Jede Rechtsverfolgung setzt deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) voraus. Unnütz und deshalb unzulässig ist ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Antragstellers hieran nicht besteht, weil das Verfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringt. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG fehlt grundsätzlich insbesondere in den Fällen, in denen der Antragsteller sich nicht zunächst an die Verwaltung gewandt und dort einen Antrag auf die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte Leistung gestellt hat oder der Antragsteller sein Ziel auch ohne Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erreichen kann. Besteht mithin die Möglichkeit, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, gerichtliche Hilfe, auch nicht im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zur Verfügung zu stellen.

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Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung des GdB bei Anfechtungsklage

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 SB 3891/13 - Urteil vom 29.04.2014

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Falle der reinen Anfechtungsklage der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung. Eine spätere Änderung der Sach- oder Rechtslage ist grundsätzlich unbeachtlich. Als Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung der Fall, dass sich der Kläger gegen einen belastenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wendet und dieser nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens rechtswidrig wurde. Ein Aufhebungs- oder Entziehungsbescheid im Schwerbehindertenrecht ist jedoch kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, sodass es bei dem o. g. Grundsatz bleibt, dass auf den Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung abzustellen ist Die Feststellung einer wesentlichen Änderung ist somit anhand eines Vergleichs zwischen der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts und derjenigen zum Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides vorzunehmen.

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Keine Zinsen bei Darlehensrückzahlung

Bundessozialgericht - B 8 SO 1/13 R - Urteil vom 27.05.2014

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für die Erhebung von Zinsen eines Darlehens folgt bereits aus dem einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I, wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs, nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt. Doch fand sich im BSHG, insbesondere in § 89 BSHG, keine Ermächtigungsgrundlage für die Verzinsung von Ansprüchen auf Rückzahlung eines Darlehens. Auch § 44 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen sind, kommt als Eingriffsnorm nicht in Betracht. Bei einer Darlehensforderung handelt es sich nicht um eine Geldleistung i.S. der Regelung. Davon erfasst sind nur hier nicht streitbefangene Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, die diesem zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte gewährt, aber im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit noch nicht gezahlt wurden. § 27 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) regelt nur die Verzinsung zu Unrecht entrichteter Beiträge.

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Rückzahlung bei rechtswidrigem VA

Bundessozialgericht - B 4 AS 19/13 R - Urteil vom 13.02.2014

Hat die Verwaltung einen rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt zurückgenommen, so ergibt sich der Rückzahlungsanspruch unmittelbar aus § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Diese Vorschrift ist vom BSG - soweit nicht eine länger zurückliegende Zeit betroffen ist - als zwingend anzuwendende Vollzugsregelung angesehen worden. Die genannte Regelung verpflichtet die zuständige Behörde nach der Rücknahme eines Verwaltungsaktes zur Erbringung der bisher vorenthaltenen Leistungen. Sie folgt der dem SGB X zugrundeliegenden Unterscheidung von der Korrektur des Verfügungssatzes von Verwaltungsakten einerseits (§§ 44 bis 49 SGB X) und dem Vollzug der Korrektur in finanzieller Hinsicht andererseits (§ 44 Abs. 4, § 50 SGB X). Diesem systematischen Konzept entspricht es, die Korrektur des Verfügungssatzes jeweils unmittelbar mit dem finanziellen Ausgleich zu verkoppeln und eine nochmalige Prüfung der Aufhebungsvoraussetzungen bei der finanziellen Korrektur auszuschließen.

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Zum Leistungsfallprinzip

Bundessozialgericht - B 12 R 1/12 R - Urteil vom 05.03.2014

Werden materielle Anspruchsvoraussetzungen eines sozialrechtlichen Leistungsgesetzes geändert, gilt grundsätzlich das Versicherungsfall- bzw. Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse erstreckt. Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit des Vorliegens der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat. Das Versicherungsfall- bzw. Leistungsfallprinzip ist allerdings nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt. Dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen. Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht ausgestaltet bzw. auszulegen ist.

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Zur grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage

Bayerisches Landessozialgericht - L 8 AS 267/14 NZB - Beschluss vom 24.07.2014

Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Berufungsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in dem konkreten Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Das ist dann der Fall, wenn die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Ein Klärungsbedürfnis besteht jedoch dann nicht mehr, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist oder wenn sich ihre Beantwortung ohne Weiteres bzw. eindeutig aus dem Gesetz ergibt.

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Kein erweiterter Pfändungsschutz

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 9 U 847/10 - Urteil vom 29.07.2014

Eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung der Pfändungsschutzbestimmungen über den Gesetzeswortlaut hinaus, ist im Recht der Abtretung und Verpfändung von Geld- und Sozialleistungen deswegen nicht veranlasst, weil es hier nicht nur um den Schutz des Hilfebedürftigen und seiner Ansprüche gegenüber Sozialleistungsträgern im Interesse seiner Existenzsicherung geht, sondern auch um die Abwägung und Gewichtung seiner Interessen mit denen von Dritten, die finanzielle Ansprüche gegen ihn geltend machen können. Unter diesen Umständen obliegt es dem Gesetzgeber und allein diesem, dieser Gemengelage Rechnung zu tragen durch die Normierung der gesetzlichen Pfändungsschutzbestimmungen und der Bestimmung pfändbarer bzw. unpfändbarer Leistungen und Beträge, wie er dies auch getan hat. Allein dem Gesetzgeber ist es auch vorbehalten, Leistungen, die wegen der Kollision mit anderen Leistungen nach gesetzlicher Anordnung ruhen, wie etwa die Grundrente nach dem BVG (§ 65 BVG) - und damit nicht zur Auszahlung kommen und nicht dem Pfändungsschutz von Einkommen unterfallen -, pfändungsfrei zu stellen bzw. deren (gegebenenfalls anteilige) Anrechnung auf andere, nicht ruhende öffentlich-rechtliche Leistungen anzuordnen. Ein dahingehendes verfassungsrechtliches Gebot vermag der Senat indessen - auch wegen der zu berücksichtigenden Gläubigerinteressen - im Bereich der gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften nicht zu erkennen. Unter diesen Umständen ist eine dahingehende verfassungskonforme erweiternde Auslegung des geltenden Rechts, etwa von § 53 Abs. 3 Nr. 3 SGB I, nicht veranlasst.

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Zur Gesetzesauslegung

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 9 R 1721/14 - Beschluss vom 13.08.2014

Es gehört zu den Aufgaben der Dritten Gewalt, das Recht fortzuentwickeln. Dieser Befugnis sind jedoch mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.

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Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer

Begriff "überlang" ist relativ

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 38 SF 180/13 EK AS - Urteil vom 11.06.2014

§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt, dass sich die "Angemessenheit der Verfahrensdauer" nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter, richtet. Damit hat der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist.

Die Dauer eines Verfahrens ist in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen Verfahren zu den persönlichen und sächlichen Mitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängig gemachte Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten.

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Entschädigung nur bei Zulässiger Leistungsklage

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 37 SF 37/14 EK AL - Urteil vom 03.07.2014

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Diese - positiven wie negativen - Anspruchsvoraussetzungen müssen auch dann erfüllt sein, wenn die Entschädigungsklage gemäß § 198 Absatz 5 Satz 1 GVG während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben wird. Auch in diesem Fall müssen insbesondere die Unangemessenheit der Verfahrensdauer und das Vorliegen eines Nachteils feststehen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu wie folgt grundlegend ausgeführt: "Dass die Anspruchsvoraussetzungen vollständig vorliegen müssen, ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG. Danach kann eine Klage auf Entschädigung vor Abschluss des Ausgangsverfahrens nur "zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1" erhoben werden. Eine Leistungsklage muss grundsätzlich bereits möglich sein.

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"Versicherte Tätigkeit"

Bundessozialgericht - B 2 U 15/12 R - Urteil vom 14.11.2013

Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt.

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Bandscheibenbedingte Wirbelsäulenerkrankung

Sächsisches Landessozialgericht - L 6 U 111/11 - Urteil vom 29.01.2014

Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule kann bei einem lokalen Lumbalsyndrom (Typ 1) und einem lumbalen Wurzelsyndrom (Typ 2) vorliegen. Das lokale Lumbalsyndrom (Typ 1) setzt folgende Kriterien voraus: - Radiologie: altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben - Symptom: Schmerz durch Bewegung - Klinik: Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz - funktionell: Entfaltungsstörung der LWS - Muskulatur: erhöhter Tonus - ggf. pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung. Ein lumbales Wurzelsyndrom (Typ 2) setzt voraus: - Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung, ggf. in Verbindung mit Retrospondylose, Spondylarthrose, Foramenstenose, Recessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal auch Protrusion - Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel(n) - Typ 1 und 2 kommen häufig auch als Mischform vor.

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Brustumfang von Intersexuellen

Bundessozialgericht - B 1 KR 69/12 R - Urteil vom 04.03.2014

Das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt auch bei Intersexualität - wie bei Mann-zu-Frau-Transsexualismus - Ansprüche auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter Mamma-Augmentationsplastik (MAP). Das BSG hat für entsprechende Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP bei Mann-zu-Frau-Transsexualismus entschieden, dass sie durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt sind. Ein Versicherter mit einem Brustansatz, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann danach keine MAP beanspruchen. Das BSG Senat hat dies damit begründet, dass das mit einem solchen Äußeren erreichte körperliche Erscheinungsbild sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich bewegt. Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Artikel 3 Abs. 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist.

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Krankengeld und Beginn des Beschäftigungsverhältnisses

Bundessozialgericht - B 1 KR 64/12 R - Urteil vom 04.03.2014

Das Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krankengeld (Krg) hat. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben "Versicherte" Anspruch auf Krg, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der KK stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Dabei ist für den geltend gemachten Krg-Anspruch an den jeweils in Betracht kommenden Entstehenstatbestand anzuknüpfen; das ist hier der maßgebliche Versicherungsstatus während der stationären Krankenhausbehandlung. Wird Krg während eines bestehenden entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses wegen Krankenhausbehandlung gewährt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes grundsätzlich auf den Tag abzustellen, an dem die Krankenhausbehandlung beginnt (§ 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Geht es dagegen um einen Krg-Anspruch wegen Neueintritts in ein Beschäftigungsverhältnis während bereits andauernder Krankenhausbehandlung und sich anschließender ärztlich festgestellter AU - hier bis 23.11.2007 -, ist der Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis maßgeblich. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter beginnt nämlich hiermit (vgl. § 186 Abs. 1 SGB V).

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Ärztliche AU-Feststellung nur bei Entstehung der AU

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 146/14 - Urteil vom 17.07.2014

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 429/13 - Urteil vom 17.07.2014

Das Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld setzt voraus, dass durch einen Arzt die Arbeitsunfähigkeit (AU) festgestellt wird (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgericht und der anderen Obergerichte ist eine solche Feststellung bei den nachfolgenden Abschnitten der Bewilligung von Krankengeld aber nicht mehr erforderlich. Entscheidend kommet es bei durchgehender AU allein darauf an, ob im gesamten Zeitraum objektiv AU bestanden hat. 

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Versorgungsausgleich und Rentenhöhe

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 9 R 5715/11 - Urteil vom 17.12.2013

Die Höhe der Rente ergibt sich im Wesentlichen auf Grund der persönlichen Entgeltpunkte, die mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt werden (§§ 64, 66 SGB VI). Ein zu Gunsten bzw. zu Lasten von Versicherten durchgeführter Versorgungsausgleich wird gemäß § 76 Abs. 1 SGB VI durch einen Zuschlag oder Abschlag an Entgeltpunkten berücksichtigt. Wird eine Rente zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen, zu dem bereits über die Durchführung des Versorgungsausgleichs durch das Familiengericht rechtskräftig entschieden ist, so ist von Anfang an bei der Rentenhöhe der Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Von diesem Grundsatz lässt § 5 Abs. 1 VAHRG dann eine Ausnahme zu, wenn der aus dem Versorgungsausgleich Berechtigte noch keinen Rentenanspruch hat und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat oder nur deshalb nicht hat, weil der Verpflichtete zur Unterhaltsleistung wegen der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung seiner Versorgung außerstande ist.

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Tätigkeitsbild eines Pförtners

Thüringer Landessozialgericht - L 6 R 1117/08 - Urteil vom 29.04.2014

Die Tätigkeit eines Pförtners ist zwar eine ungelernte Tätigkeit, die sich jedoch wegen der sozialen Stellung und Verantwortung aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten hervorhebt. Pförtner kontrollieren den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen und sind der erste Ansprechpartner für Besucher. Zuverlässigkeit, korrektes Auftreten und Sicherheitsbewusstsein sind für ihre Tätigkeit von zentraler Bedeutung. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Besonders in sicherheitsrelevanten Bereichen verhindern sie das Eindringen von Unbefugten und überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen und evtl. bestehende Fotografierverbote. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. In solchen Funktionen sind Pförtner dem Werkschutz zugeordnet. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Sie verwalten Schlüssel und Schließanlagen, führen Aufzeichnungen, nehmen Postsendungen an und leiten sie sortiert zur Verteilung weiter. Oft kümmern sie sich auch um die Postverteilung im Betrieb. Größere Schreibarbeiten sind nicht zu leisten. Zu ihren Aufgaben gehören zum Teil oft auch der Telefondienst, das Aushändigen von Formularen sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck. Es handelt sich um leichte körperliche Arbeit, überwiegend im Sitzen und in geschlossenen Räumen sowie für körperlich Behinderte geeignet. Der Zugang zur Erwerbstätigkeit als Pförtner ist nicht geregelt. Bei fehlenden Kenntnissen kann eine Einarbeitung bzw. ein Anlernen praktiziert werden, wobei feste Einarbeitungszeiten nicht existieren.

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Häufige Arbeitsunfähigkeit und EU-Rente

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 33 R 1251/11 - Urteil vom 03.07.2014

Eine quantitative Erwerbsminderung ergibt sich nicht allein daraus, dass ein Versicherter wegen eines Leidens häufig krankheitshalber arbeitsunfähig ist. Eine Erwerbsunfähigkeit kann daraus nur folgen, wenn so häufige Arbeitsunfähigkeitszeiten auftreten, dass die während eines Arbeitsjahres erbrachten Arbeitsleistungen den Mindestanforderungen nicht mehr genügen, welche ein vernünftig und billig denkender Arbeitgeber zu stellen berechtigt ist. Diese Mindestanforderungen sind jedenfalls dann nicht mehr als erfüllt anzusehen, wenn der Versicherte die Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen (sechs Monate bzw. die Hälfte) im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen kann.

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Zur abhängigen Beschäftigung

Thüringer Landessozialgericht - L 6 R 1224/12 - Urteil vom 29.04.2014

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Die Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Untergeordnete und einfache Arbeiten sprechen eher für eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation. Eine selbstständige Tätigkeit ist vornehmlich durch eigenes Unternehmerrisiko, Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dies gilt auch für Mitglieder von Vorständen juristischer Personen, die von Weisungen im täglichen Geschäft weitgehend frei sind und für Vorstandsmitglieder eines rechtsfähigen Vereins. Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben und sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen.

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Anwaltshonorar

Keine PKH, wenn Musterverfahren anhängig

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 2 AS 1627/13 B - Beschluss vom 12.08.2014

In Verfahren, in denen alleine um die Frage der Erforderlichkeit einer Abrechnung nach § 10 RVG für den Ausgleich der vom verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt vorgelegten Kostenrechnung im Rahmen der Kostenerstattung nach § 63 SGB X gestritten wird, ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsschutzgleichheit keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da davon auszugehen ist, dass ein kostenbewusster Bemittelter nach Anhängigkeit des Musterverfahrens B 14 AS 60/13 R vor dem BSG ein anhängig gemachtes Klageverfahren mit dem gleichen Ziel ohne Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten nach Klageerhebung zum Ruhen gebracht oder einen Unterwerfungsvergleich mit dem Beklagten abgeschlossen hätte. Dem Leistungsberechtigten ist es diesbezüglich grundsätzlich zuzumuten, ein entsprechendes Klageverfahren nicht weiter zu betreiben und die Entscheidung der Revisionsinstanz in den rechtshängigen Verfahren um die gleiche Rechtsfrage abzuwarten. Zwar kann die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung nicht pauschal mit der Verweisung auf rechtshängige Verfahren verneint werden. Sie entfällt jedoch dann, wenn über die in rechtshängigen Verfahren zu entscheidenden Gesichtspunkte hinaus keine weiteren Besonderheiten des Einzelfalls oder bisher nicht berücksichtigte Aspekte geltend gemacht werden, die es für sich rechtfertigen könnten, ein eigenständiges Verfahren mit anwaltlicher Hilfe zu führen.

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Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II

Gezahlte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge müssen nicht erstattet werden

Sächsisches Landessozialgericht - L 3 AS 600/12 - Urteil vom 22.05.2014

Bei einer nur vorläufigen Leistungsgewährung auf der Grundlage von § 328 Abs. 1 SGB III kommt eine Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 40 Abs. l Satz 2 Nr. la SGB II i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht in Betracht, da nur die auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen zu erstatten sind. Nach § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III kann ein Leistungsträger nur über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden. Geldleistungen sind Barleistungen an den Berechtigten, gegebenenfalls auch an Dritte, die inhaltlich Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende sind. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind gerade keine Geldleistungen im vorgenannten Sinne und fallen damit bereits ihrem Wortlaut nach nicht unter die Vorschrift von § 328 SGB III.

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Unterschied zwischen Aus- und Weiterbildung

Bundessozialgericht - B 4 AS 26/13 R - Urteil vom 02.04.2014

Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, einschließlich solcher zur Deckung des Bedarfs durch die Kosten für Unterkunft und Heizung. Eine Maßnahme der Weiterbildung i.S. von § 77 SGB III begründet dagegen keinen Ausschluss von SGB II-Leistungen.
Die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung richtet sich ausschließlich nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme. Entscheidend ist insoweit der Weg, auf dem das Ziel erreicht werden soll. Weiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Es handelt sich insoweit um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluss der ersten Ausbildungsphase oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne vorherigen Berufsabschluss, das deswegen vielfach - wenn auch nicht zwingend - mit einer verkürzten Ausbildungsdauer einhergeht.

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Unangemessene Unterkunftskosten

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 12 AS 5254/13 ER-B - Beschluss vom 05.03.2014

Damit die Übernahme unangemessener Kosten der Unterkunft ihren exzeptionellen Charakter behält, sind an die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit strenge Anforderungen zu stellen. Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft bleibt der durch sachliche Gründe (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit) zu rechtfertigende Ausnahmefall. Eine objektive Unmöglichkeit der Kostensenkung dürfte nur in seltenen Ausnahmefällen zu begründen sein; das Vorliegen einer Unzumutbarkeit bedarf der besonderen Begründung. Aufgrund dieses exzeptionellen Charakters der Übernahme von unangemessenen Unterkunftskosten ist es zunächst an dem Hilfebedürftigen, gegenüber dem Leistungsträger substantiiert darzulegen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft ihm nicht zugänglich ist. Erst, wenn der Hilfebedürftige aufgrund eigener ausreichender Suchbemühungen den Nachweis geführt hat, dass es zu dem abstrakt angemessenen Mietzins im konkreten zeitlichen und räumlichen Rahmen keine Wohnungen anzumieten gibt, ist es an der Beklagten, konkret angemessen Wohnraum nachzuweisen. § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II sieht zum Schutz der Hilfebedürftigen bereits eine im Regelfall sechsmonatige Frist zur Übernahme unangemessener Unterkunftskosten vor. Begehrt der Empfänger von Grundsicherungsleistungen die Übernahme unangemessener Unterkunftskosten über diesen Zeitraum hinaus, so liegt es an ihm, die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen darzulegen.

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Eingliederungsvereinbarung als VA

Sächsisches Landessozialgericht - L 3 AS 639/10 - Urteil vom 27.02.2014

Für die Möglichkeit, einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt erlassen zu können, kommt es ausschließlich darauf an, ob objektiv eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kam. Worauf der Nichtabschluss einer Eingliederungsvereinbarung zurückzuführen ist, und ob hierfür ausschließlich eine Seite die Verantwortung trägt, ist unerheblich. Es ist deshalb auch ohne Belang, ob ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ablehnt oder weil er bestimmte Regelungsbestandteile für rechtswidrig erachtet.

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Versicherungspauschale bei mehreren Einkünften

Bundessozialgericht - B 4 AS 49/13 R - Urteil vom 05.06.2014

Absetzungen vom Einkommen sind nur vorzunehmen, soweit die abzugsfähige Belastung nicht bereits (vorab) in voller Höhe oder anteilig abgesetzt worden ist. Dies bedeutet, dass bei dem Zusammentreffen verschiedener Einkommensarten die Versicherungspauschale grundsätzlich insgesamt nur ein Mal in Abzug gebracht werden kann und nicht mehrfach, also von jedem zugeflossenen Einkommen. Die Versicherungspauschale ist hier bereits mit dem pauschalen Abzug vom Einkommen der Klägerin aus der Übungsleitertätigkeit abgesetzt worden. § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. sieht insoweit vor, dass bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 (Beiträge für private Versicherungen) bis Nr. 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen ist.

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Fünf Bewerbungen pro Monat zumutbar

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 19 AS 749/13 - Urteil vom 17.02.2014

Die Verpflichtung, innerhalb von sechs Monaten 30 Bewerbungen (fünf je Monat) um sozialversicherungspflichtige oder nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen vorzunehmen und im Folgemonat nachzuweisen, ist weder nach ihrer Art noch nach der aufgegebenen Frequenz der Bewerbungen zu beanstanden. Es handelt sich um eine Konkretisierung der in § 2 Abs. 1 SGB II geregelten Selbsthilfeobliegenheit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Dieser ist verpflichtet, eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit fortzuführen bzw. jede zumutbare Tätigkeit i.S.v. § 10 SGB II anzunehmen. Die Bewerbung um ein Beschäftigungsverhältnis stellt dabei den ersten Schritt zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt und zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit dar. Grundsätzlich ist zur Abwendung der Hilfebedürftigkeit die Aufnahme jeder Arbeit zumutbar, die eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person in Hinblick auf ihre Fähigkeiten und Leistungsvoraussetzungen erfüllen kann und darf. Vorstellungen, Neigungen und Ansprüche der leistungsberechtigten Person sind dabei nur im Rahmen der Zumutbarkeitskriterien des § 10 SGB II zu berücksichtigen. Zumutbar ist auch eine Tätigkeit, die unterhalb der erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen liegt (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), die Aufnahme einer geringfügigen oder befristeten Beschäftigung sowie bei einer Zeitarbeitsfirma (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB II).

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Vorläufiger Rechtsschutz auch bezüglich Mietkosten

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 1218/14 B ER - Beschluss vom 18.07.2014

Die Übernahme der laufenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung ist auch geeignet, schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, abzuwenden.

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Kindergeld als Einkommen des erwachsenen Kindes

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 19 AS 2286/13 - Urteil vom 24.02.2014

Abweichend von der kindergeldrechtlichen Zuordnung als Einkommen des Kindergeldberechtigten bestimmt § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II, das für die Bestimmung des zu berücksichtigenden Einkommens nach dem SGB II das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Das Kindergeld soll damit vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Es nimmt insoweit nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft teil. Sinn dieser besonderen Zuordnung ist es sicherzustellen, dass durch das Kindergeld zusammen mit dem Kinderzuschlag nach § 6a BKGG, der ebenfalls dem Kind zuzurechnen ist (§ 11 Abs. 1 S. 3 SGB II) und ggf. Wohngeld die Abhängigkeit des Kindes von Grundsicherungsleistungen beseitigt wird. Dabei ist der Gesetzgeber von der Vermutung ausgegangen, dass das den Eltern zufließende Kindergeld in einer familiären Gemeinschaft, die ihren Gesamtbedarf aus Einkommen und Vermögen nicht vollständig decken kann und deshalb - im familienrechtlichen Sinne - eine Notgemeinschaft bildet, tatsächlich auch den Kindern zur Deckung ihres Bedarfs zugute kommt. Verfügt das Kind indes über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Der nicht zur Bedarfsdeckung des Kindes benötigte Teil des Kindergeldes wird sodann dem Kindergeldberechtigten entsprechend den Regeln des BKGG zugerechnet und als dessen Einkommen nach den Regeln des SGB II verteilt.

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Sozialhilfe SGB XII

Kraftfahrzeughilfe für Behinderte

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 SO 388/13 - Urteil vom 24.06.2014

Gemäß § 8 Abs. 1 EinglHV wird Hilfe zur Beschaffung eines KFZ in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des KFZ angewiesen ist. Das BSG hat dies dahingehend konkretisiert, dass die bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX) nur dann besteht, wenn ein KFZ als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist. Diese Ziele bestehen darin (vgl. § 53 Abs. 3 S. 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder er so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 2 S. 2 SGB XII, § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs. 2 SGB XII); bei behinderten Kindern sind die Wünsche der Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls, maßgebend. Es gilt also - wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat - ein individueller und personenzentrierter Maßstab; dieser steht einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls regelmäßig entgegen.

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Elterngeld

Berücksichtigung von Provisionen beim Elterngeld

Bundessozialgericht - B 10 EG 14/13 R - Urteil vom 26.03.2014

Der Umstand allein, dass der Arbeitgeber bestimmte Einnahmen (Provisionen) im Lohnsteuerabzugsverfahren faktisch als sonstige Bezüge behandelt hat, rechtfertigt es nicht, diese bei der Berechnung des Elterngeldes unberücksichtigt zu lassen. § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG a.F. schließt Einnahmen nur insoweit von der Elterngeldberechnung aus, als die steuerrechtlich motivierte Differenzierung auch mit Blick auf den Zweck des Elterngeldes sachlich gerechtfertigt ist. Provisionen sind daher als laufender Arbeitslohn bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen, wenn sie neben dem monatlichen Grundgehalt für kürzere Zeiträume als ein Jahr und damit mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig gezahlt werden.

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Arbeitslosengeld I

Zum Zahlbetrag bei Weiterbewilligung von ALG I

Bundessozialgericht - B 11 AL 12/13 R - Urteil vom 14.05.2014

Zwar bestimmen sich Art, Dauer und Höhe der Leistung in einem Fall, in dem ein Restanspruch auf Alg zu bewilligen ist, weiterhin nach den Umständen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Stammrechts vorgelegen haben. Von diesem Grundsatz bildet auch § 131 Abs. 4 SGB III a.F. (jetzt § 151 Abs. 4 SGB III) keine Ausnahme, weil die Regelung nur Anwendung findet, nachdem ein neues Stammrecht auf Alg entstanden ist. Bei der Wiederbewilligung von Alg für eine Restanspruchsdauer bleibt u.a. das Lebensalter maßgeblich, das der Arbeitslose zum Zeitpunkt der Entstehung des Stammrechts erreicht hatte. Das Lebensalter zum Zeitpunkt der Wiederbewilligung des Zahlungsanspruchs ist nicht maßgeblich. Das Alg ist bei Bewilligung einer Restanspruchsdauer auch nach dem Berechnungsmodus zu bemessen, der der ersten Bewilligung nach Entstehung des Stammrechts zugrunde zu legen war. Das bedeutet andererseits nicht, dass ein bei der erstmaligen Bewilligung zu hoch oder zu niedrig bemessener Zahlbetrag des Alg bei einer späteren Wiederbewilligung nicht korrigiert werden müsste. Zum Zeitpunkt der Wiederbewilligung des Restanspruchs ist zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach wieder vorliegen und ob die Leistung nach Dauer und Höhe zutreffend bestimmt war und ist. Dementsprechend hat das BSG bereits entschieden, dass eine Bindung an frühere Bewilligungen schon deshalb nicht besteht, weil diese sich nur auf den Verfügungssatz des früheren Verwaltungsakts, nicht aber auf einzelne Berechnungselemente - wie hier das zu Grunde zu legende Bemessungsentgelt - beziehen könnte. Bestehen allerdings keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung und Bemessung des wieder zu bewilligenden Anspruchs, kann in der Praxis weiterhin der bisherige Zahlbetrag des Alg zu Grunde gelegt werden.

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Buchrezension

Becker / Kingren (Hrsg.)
SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, Komm.
Beck Verlag, 4. Aufl. 2014, 1961 Seiten, E 129,ISBN:
978-3-406-664104-4

Schon die Vorauflage wurde hier besprochen und für "gut" befunden. Hat sich seitdem etwas geändert? Das SGB V hat zwei Paragraphen mehr, -und ist nicht verständlicher geworden. Der Laie und Rechtsanwender (und leider auch der Fachmann / die Fachfrau) steht nach wie vor dem Wust an Vorschriften recht hilflos gegenüber.
Wie gut, wenn man dann den Becker / Kingren zur Hand hat. Kompakt; übersichtlich und aktuell wird das Recht der Krankenversicherung erläutert. Besonders hervorheben möchte ich den Überblick zum Stand der Richtliniengebung des B - GA in § 92 SGB V: So viele untergesetzliche Richtlinien wie zum SGB V dürfte es auf keinem anderen Rechtsgebiet geben (sieht man von den wesentlich kürzeren DA / GA der Bundesagentur für Arbeit ab). Eine Wiedergabe würde auch den Rahmen eines Handkommentares sprengen. In den Erläuterungen zu § 92 sind deshalb die Richtlinien, ihre letzte Fassung plus Datum der Änderung, Fundstelle und In - Kraft - Treten aufgelistet.
Ach ja, noch eine Änderung: Das Buch ist € 10,- teurer als die hier besprochene 2. Auflage.
Das ist aber gerechtfertigt (s. o.). 

M. Schörnig
Rechtsanwältin

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